13. – 17. September 2022
19:30 Uhr

Uraufführung

 

Ticketsverkauf nur Online unter:
Tickets

Karten:
15€ / 12€*
*SchülerInnen, StudentInnen, SeniorInnen, Lehrlinge, Standard-AbonnentInnen und
Ö1 Club-Mitglieder

Kulturpass unter: karten@odeon.at

Ort: Im Spitzer, Taborstraße 10
1020 Wien (Im Hinterhof)

 

SEX, LÜGEN & ODYSSEUS
Lyrikperformance mit Musik

Lyrische Irreführung mit Musik aus The Odysseus Poems von Judith Kazantzis
Deutsch Roberta Cortese & Bernhardt Jammernegg
Musik & Schlagwerk Ingrid Oberkanins

Roberta Cortese: Penelope, Polyphem, Skylla, Seemann, Sirene, Stimmen
Elisabeth Halikiopoulos: Nausikaa, Kalypso, Telemachos, Seemann, Sirene, Stimmen
Bernhardt Jammernegg: Odysseus, Stimmen

Konzept / Regie / Ausstattung / Strickarbeit: Roberta Cortese
Outside Eye: Luigi Chiarella
Inseldesign: Chiara Riccardi
Technische Leitung / Licht: Urdyl Bauer
Projektbetreuung: Martina Stapf
Kostümfundus Odeon: Kaja Leierer

ZUM STÜCK

Die feministische Neuerzählung der Odyssee von Judith Kazantzis, das vielfarbige Schlaginstrumentarium der Multiperkussionistin Ingrid Oberkanins und textiles Handwerk als Metapher für Frauen-Erzählkunst sind die Grundsteine dieser immersiven Theaterreise auf den Spuren von Odysseus‘ Irrfahrt. Zusammen mit Elisabeth Halikiopoulos und Bernhardt Jammernegg, entwirrt Roberta Cortese alte verwickelte Handlungsfäden. Gleichzeitig ist sie um eine inklusive Form der Erfahrung von Dichtung bemüht. Die drei Performer*innen führen das Publikum durch Raum und Stoff, zeichnen Routen nach und verwandeln sich in Figuren aus dem Epos. Doch diesmal spricht nicht nur Odysseus: Penelope, Telemachos, Polyphem, Nausikaa, Kalypso, Skylla, aber auch rappende Sirenen, grobe Seemänner und besorgte Nachbarn kommen zu Wort – und da hört sich die Geschichte ganz anders an.

Judith Kazantzis führt uns mit ihren Gedichten durch Meere der Erinnerung und der Destabilisierung. Sie schafft es, die klassische Welt und unsere chaotischen, zwangsisolierten Zeiten gleichzeitig heraufzubeschwören. Stimmen und Stimmungen wechseln sich ab: rührend, witzig, dunkel und unzüchtig; in Monologen, Briefen und Liedern. Musik und Lyrik sind wie bei Homer verwoben, Oberkanins’ Kompositionen und Improvisationen unterstreichen, kommentieren, geben die Reisegeschwindigkeit an.

DIRECTOR’S NOTE – von Roberta Cortese

Mein erster Gedanke bei der Auseinandersetzung mit Kazantzis‘ Lyrik im Hinblick auf ihre szenische Umsetzung war, dass Penelope der Schlüssel dazu sein könnte. Schließlich ist sie die wichtigste menschliche Frauenfigur der Odyssee und kann gut als Gegenpart zu Odysseus selbst gelten: „die weise Penelope“ erweist sich nämlich von schlau bis listig – und das weit über den berühmten Trick mit dem gewebten Tuch hinaus.

Penelope ist bei Kazantzis eine desillusionierte Frau. Wie bei Homer, wird sie auch hier am Webstuhl porträtiert, jedoch in einem Knäuel aus Fäden, Haaren und Leintüchern, die sie einwickeln: in ihren eigenen Worten gleicht sie einer Spinne. Aus diesem Bild entstand die Idee, im Laufe des Abends den ganzen Spiel-Raum in eine Art Spinnennetz zu verwandeln, dessen Fäden (Strickgarn und Segelschnur zugleich) die Wege zweier großer ‘Wanderungen’ nachzeichnen: die alten von Odysseus übers Meer und völlig neue über die Gedanken von Kazantzis‘ Figuren, die eine Frauenperspektive in die Geschichte einbringen. Wenn Webkunst das einzige Mittel eines künstlerisch-narrativen Ausdrucks für Frauen der Antike war, sollen hier Text und Textiles zueinanderfinden.

JUDITH KAZANTZIS (1940-2018)

Sie war die Tochter des Labour-Politikers und Sozialreformers Frank Pakenham und der Historikerin Elizabeth Harman. Sie schloss ein Geschichtsstudium in Oxford ab, war 1961-82 mit dem Rechtsanwalt und Labour Party-Mitglied Alec Kazantzis verheiratet und heiratete 1998 den amerikanischen Schriftsteller Irving Weinman. Sie war engagierte Feministin, unterstützte die Kampagnen für nukleare Abrüstung und für das besetzte Palästina, ebenso arbeitete sie für eine Gefängnisreform in Großbritannien.

Kazantzis untersuchte die Fallen und Verlockungen häuslicher, sexueller und gesellschaftlicher Machtverhältnisse. Mit einer Sprache, die abwechselnd herb, derb, lyrisch und satirisch sein konnte, erforschte sie die Rolle der Frau in Mythen und Märchen. Sie veröffentlichte 12 Gedichtbände sowie Essays und einen Roman.

Aus ihrem Postscript zu The Odysseus Poems: „Auf jeden Fall verfolgt Skylla Odysseus im Alter. Sie stellte das Dilemma dar: War das alles nur im Kopf? In den Köpfen? […] Skylla scheint als Zeichen für schiere, gewalttätige, wahnsinnige Destruktivität zu stehen, ohne erlösendes Gehirn oder einem weicheren Instinkt. Doch für die meisten von uns ist jetzt Krieg – diese uralte männliche Aktivität – genau diese Realität. Was soll man also von einem höhlengebundenen, männerfressenden weiblichen Superkraken als Fantasie für den Krieg sagen? Und ist Skylla, Penelopes Gegenteil, auch irgendwie mit dieser verbunden – sich krümmende Tentakel als Pendant zu strömenden Haaren oder komplizierter Webkunst? Skylla als Projektion von Odysseus‘ Ambivalenz: Odysseus der Kumpel versus den pflicht- und königreichgebundenen Vater und Patriarchen. […] Im zweiten Jahrtausend hat die Frau ein Recht zu fragen. Wie Freud (mehr oder weniger) sagte: Was wollen die Männer?“

Judith Kazantzis, The Odysseus Poems. Fictions on the Odyssey of Homer, Hove, Waterloo Press 2010 [1999]